Hier finden Sie eine Übersicht der wichtigsten Urteile aus dem Jahr 2011.
Wenn Sie eine nach Streitgegenständen sortierte Übersicht vergangener Jahre wünschen, folgen Sie bitte dem entsprechenden Link.
Sachverhalt:
Ein Hornist war seit 1991 als Orchestermusiker angestellt. Nachdem der Freistaat Thüringen die Zuschüsse erheblich kürzte, entschloss sich die Beklagte, das Orchester zu verkleinern. Dabei wurden alle Hornistenstellen gestrichen.
Entscheidung:
Der Musiker klagte gegen die Kündigung. Er argumentierte, ein Orchester ohne Horn sei unsinnig. Die Arbeitsgerichte entschieden jedoch anders. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar:
Wirtschaftliche Gründe können eine Kündigung rechtfertigen.
Die künstlerische Zweckmäßigkeit darf von Gerichten nicht geprüft werden.
Die Kündigung war nicht missbräuchlich.
Fazit:
Auch im Kulturbereich haben wirtschaftliche Erwägungen Vorrang.
BAG, Urteil vom 27. Januar 2011 – 2 AZR 9/10
Sachverhalt:
Eine Abteilungsleiterin im Bereich „International Marketing“ bewarb sich auf eine frei werdende Stelle. Die Beklagte entschied sich jedoch für einen männlichen Bewerber. Der Arbeitgeber wusste von der Schwangerschaft der Klägerin.
Entscheidung:
Die Klägerin sah sich wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Das Bundesarbeitsgericht stellte fest:
Schwangerschaft kann ein Hinweis auf geschlechtsspezifische Benachteiligung sein.
Für die Glaubhaftmachung sind keine strengen Anforderungen nötig.
Das Landesarbeitsgericht hatte Rechtsfehler begangen.
Fazit:
Die Entscheidung stärkt den Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen vor Benachteiligung.
BAG, Urteil vom 27. Januar 2011 – 8 AZR 483/09
Sachverhalt:
Eine Bewerberin mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 40 klagte. Sie hatte sich auf eine Sekretariatsstelle beworben. Ihr Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen war zuvor abgelehnt worden.
Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht stellte klar:
Nur schwerbehinderte Menschen oder Gleichgestellte fallen unter die Schutzvorschriften des SGB IX.
Seit 2006 schützt das AGG auch Menschen mit geringeren Behinderungsgraden.
Die Klägerin hatte sich jedoch ausschließlich auf das SGB IX berufen.
Fazit:
Der Schutz nach dem SGB IX greift nur bei Schwerbehinderung oder Gleichstellung. Das AGG bietet darüber hinausgehenden Schutz.
BAG, Urteil vom 27. Januar 2011 – 8 AZR 580/09
Sachverhalt:
Eine Klägerin war fast zehn Jahre bei der V GmbH angestellt. Nach einem Betriebsübergang verlangte sie von der neuen Arbeitgeberin die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses.
Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht entschied:
Arbeitnehmer müssen die Widerspruchsfristen nach § 613a BGB beachten.
Wird über den Betriebsübergang jedoch gar nicht informiert, laufen diese Fristen nicht.
Eine Verwirkung ist möglich, lag hier aber nicht vor.
Fazit:
Ohne ordnungsgemäße Information über den Betriebsübergang bestehen Arbeitnehmerrechte fort.
BAG, Urteil vom 27. Januar 2011 – 8 AZR 326/09
Sachverhalt:
Eine Mitarbeiterin nahm Elternzeit. Später wurde ihr die Zeit nicht auf die Stufenlaufzeit im TVöD angerechnet. Sie sah darin eine Diskriminierung wegen ihres Geschlechts.
Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht urteilte:
Elternzeit unterbricht die Stufenlaufzeit.
Das ist mit EU-Recht und Grundgesetz vereinbar.
Es liegt keine Diskriminierung vor, da während der Elternzeit keine Berufserfahrung gesammelt wird.
Fazit:
Elternzeit wird nicht auf die Stufenlaufzeit im TVöD angerechnet. Dies ist rechtlich zulässig und keine Benachteiligung.
BAG, Urteil vom 27. Januar 2011 – 6 AZR 526/09
Sachverhalt:
Eine Flugbegleiterin war von 1978 bis 1987 bei der Lufthansa beschäftigt. Nach einer Familienpause kehrte sie 1992 zurück. Bei der Berechnung ihrer Lufthansa-Betriebsrente wurde die erste Beschäftigungszeit nur im Startbaustein berücksichtigt, nicht jedoch in der fiktiven rückwirkenden Berechnung.
Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass frühere Arbeitsverhältnisse nicht einbezogen werden müssen. Die Tarifautonomie erlaubt diese Regelung. Außerdem liegt keine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vor.
Fazit:
Frühere Beschäftigungszeiten zählen nur für den Startbaustein, nicht aber für die Lufthansa-Betriebsrente.
BAG, Urteil vom 19. Januar 2011 – 3 AZR 29/09
Sachverhalt:
Ein Bankkaufmann erhielt von seinem Arbeitgeber die Finanzierung einer Weiterbildung zum Sparkassenbetriebswirt. Die Vereinbarung sah vor, dass er die Kosten zurückzahlen müsse, wenn er vor Abschluss der Weiterbildung kündigt. Der Arbeitnehmer brach die Ausbildung vorzeitig ab.
Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Rückzahlungspflicht. Solche Klauseln sind wirksam, wenn die Weiterbildung für den Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil bringt. Entscheidend ist, dass die Vereinbarung den Arbeitgeber nicht einseitig bevorteilt.
Fazit:
Arbeitnehmer müssen Weiterbildungskosten zurückzahlen, wenn sie das Arbeitsverhältnis vor Abschluss der Ausbildung beenden.
BAG, Urteil vom 19. Januar 2011 – 3 AZR 621/08
Sachverhalt:
Der ERA-Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg regelt die Entgeltgruppen. Ein Betriebsrat wollte sein Mitbestimmungsrecht bei Eingruppierungen bestätigt wissen.
Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht stellte klar:
Das gesetzliche Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bleibt bestehen.
Die Eingruppierung eines Arbeitnehmers ist auch dann mitbestimmungspflichtig, wenn die Arbeitsaufgabe tariflich bewertet wurde.
Der Betriebsrat muss prüfen, ob die Einstufung tatsächlich der Tätigkeit entspricht.
Fazit:
Der ERA-TV schränkt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Eingruppierungen nicht ein.
BAG, Beschluss vom 12. Januar 2011 – 7 ABR 34/09
Sachverhalt:
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes mitzubestimmen. Dazu gehört auch die gesetzlich vorgeschriebene Unterweisung der Beschäftigten. Eine Einigungsstelle hatte allgemeine Regeln beschlossen, jedoch ohne konkrete Gefährdungsanalyse.
Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht erklärte den Beschluss der Einigungsstelle für unwirksam. Grund: Die Regelungen waren zu allgemein und nicht auf konkrete Arbeitsplätze oder Aufgaben zugeschnitten.
Fazit:
Unterweisungen zum Arbeitsschutz müssen sich an konkreten Gefährdungsanalysen orientieren. Allgemeine Regeln genügen nicht.
BAG, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 ABR 104/09