Beendigung von Arbeitsverhältnissen

1. Kündigung

a) Kündigungsfrist
Der Arbeitnehmer muss bei einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist innerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Dies hat der Fünfte Senat in einem Urteil vom 1. September 2010 (- 5 AZR 700/09 -) entschieden. Hat der Arbeitnehmer die zu kurze Kündigungsfrist nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht, gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen Termin“. Eine Umdeu-tung nach § 140 BGB scheidet dann aus. Im Entscheidungsfall hat der Senat eine Aus-legung der Kündigung wegen des eindeutigen Wortlauts der Erklärung sowie des Feh-lens anderweitiger Anhaltspunkte abgelehnt. Zudem hat er im Anschluss an die Recht- sprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (19. Januar 2010 – C-555/07 – [Kücükdeveci]) und des Bundesverfassungsgerichts (6. Juli 2010 – 2 BvR 2661/06 -) bestätigt, dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen des Anwendungs-vorrangs des Unionsrechts für nach dem 2. Dezember 2006 ausgesprochene Kündi-gungen nicht anzuwenden ist. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer sind des-halb auch Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, zu berücksichtigen.

b) Anwendungsbereich des KSchG
Der Zweite Senat hatte sich in einem Urteil vom 28. Oktober 2010 (- 2 AZR 392/08 -) mit der Anwendung der sog. Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG zu befassen. Die Vorschrift trägt den besonderen Verhältnissen in kleineren Betrieben und Verwal- tungen Rechnung, in dem die Arbeitnehmer dieser Einheiten keinen Kündigungsschutz genießen. Die darin liegende Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern in Kleinbe-trieben mit fünf bzw. zehn Arbeitnehmern und größeren Betrieben ist sachlich gerecht-fertigt, weil Kleinbetriebe typischerweise durch enge persönliche Zusammenarbeit, geringere Finanzausstattung und einen Mangel an Verwaltungskapazität geprägt sind. Die vom Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 27. Januar 1998 (- 1 BvL 15/87 -) geforderte verfassungskonforme Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG idF vom 26. April 1985 auf solche Einheiten, für deren Schutz die Klausel bestimmt ist, gilt nach Auffassung des Senats auch für die seit dem 1. Januar 2004 gültige Fassung dieser Norm. Dies verlangt jedoch nicht, den Betriebs-bezug des jeweiligen Schwellenwertes nach § 23 Abs. 1 KSchG immer schon dann zu durchbrechen, wenn sich das Unternehmen in mehrere kleine, organisatorische Einhei-ten gliedert, die als eigenständige Betriebe anzusehen sind, in denen aber – zusam-men betrachtet – mehr als fünf bzw. zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dies liefe auf eine vom Gesetz nicht beabsichtigte Gleichstellung von Betrieb und Unternehmen hin-aus. Umgekehrt setzt die Anwendung der Kleinbetriebsklausel aber auch nicht voraus, dass die als „Betrieb“ im kündigungsschutzrechtlichen Sinn zu verstehende Einheit sämtliche den Kleinbetrieb typischerweise charakterisierenden Merkmale erfüllt. Maßgebend ist vielmehr eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende, wertende Ge-samtbetrachtung dahingehend, ob die Anwendung der Kleinbetriebsklausel nach Maß-gabe des allgemeinen Betriebsbegriffs unter Berücksichtigung der tatsächlichen Ver-hältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck noch hinreichend gerecht wird. Danach war es in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nicht geboten, die vom Arbeitgeber unterhaltenen zwei Betriebstätten auch dann als einheitlichen Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG anzusehen, wenn sie – was streitig war – organisatorisch selb-ständige Betriebe bildeten. Da die für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Feststellungen fehlten, wurde der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen.

c) Ordentliche Beendigungskündigung
Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, ist der Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Die Durchführung des BEM ist nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung des erkrankten Arbeitneh-mers. Die Norm konkretisiert aber den im Kündigungsschutzrecht geltenden Verhält-nismäßigkeitsgrundsatz. War der Arbeitgeber verpflichtet, vor Ausspruch der Kündi-gung ein BEM durchzuführen, darf er sich im Kündigungsschutzprozess nicht darauf
beschränken, pauschal vorzutragen, es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze für den erkrankten Arbeitnehmer. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeit-nehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplat-zes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz ausscheidet (vgl. nur BAG 10. Dezember 2009 – 2 AZR 400/08 -). Diese Rechtsprechung hat der Zweite Senat in ei-ner Entscheidung vom 30. September 2010 (- 2 AZR 88/09 -) erneut bestätigt. Zudem hat der Senat klargestellt, dass der Arbeitgeber auch dann verpflichtet ist, ein BEM durchzuführen, wenn keine betriebliche Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX gebildet ist. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen der Vermeidung von Kündigungen erkrankter Menschen. Die Verwirklichung dieses Gesetzeszwecks setzt nicht die Existenz eines Betriebsrats voraus. Dieser ist nach § 84 Abs. 2 SGB IX nur einer von mehreren Verfahrensbeteiligten. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM deswegen entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchti-gungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte brin-gen können, obliegt dem Arbeitgeber.

d) Außerordentliche Kündigung
Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen, die der Arbeitnehmer bei oder im Zu-sammenhang mit seiner Arbeit begeht und die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, können nach einem Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2010 (- 2 AZR 541/09 -) auch dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündi-gung sein, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat. Damit hat der Senat ausdrücklich an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten (vgl. BAG 13. Dezember 2007 – 2 AZR 537/06 -). Der Arbeitnehmer verletzt durch derartige Handlungen in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksicht-nahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Aus der Wertung des § 248a StGB folgt nichts anderes. Diese legt nur fest, ab welcher Grenze der Gesetzgeber staatliche Sanktionen zwingend für geboten hält. Ein solcher Ansatz lässt sich nicht auf das Privatrecht übertragen. Im KSchG gilt nicht das Sanktions-, sondern das Prognoseprinzip. Auch ein Wertungswiderspruch zum Disziplinarrecht der Beamten besteht nicht. Dieses verfügt – anders als das Arbeitsrecht – über eine Band-breite disziplinarischer Reaktionsmöglichkeiten. Auf die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens kommt es bei § 626 BGB nicht an. Maßgebend sind vielmehr der Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten und der damit verbundene Vertrauensbruch. Gleichwohl hat der Senat im Streitfall die fristlose Kündigung für unwirksam erachtet, da als Reaktion auf das Fehlverhalten der Arbeitnehmerin – das unberechtigte Einlösen von aufgefundenen Leergutbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro – im konkreten Einzelfall eine Abmahnung ausgereicht hätte. Nach dem im Kündigungsschutzrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Hierzu gehört auch der Ausspruch einer vorherigen Abmahnung. Diese ist nur dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwe-re Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Diese Grundsätze gelten auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Auch dort gibt es keine „absoluten“ Kündi-gungsgründe. Im Arbeitsverhältnis bedarf es somit immer einer genauen Prüfung, ob die Vertrauensbeziehung der Vertragspartner durch eine erstmalige Enttäuschung des Vertrauens vollständig und unwiederbringlich zerstört werden konnte. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Arbeitgebers an, sondern auf einen objekti-ven Maßstab. Maßgebender Zeitpunkt hierfür ist der Zugang der Kündigungserklärung. Nachträglich eingetretene Umstände, zu denen auch das Prozessverhalten des ge-kündigten Arbeitnehmers gehört, sind nur von Bedeutung, soweit sie den Kündigungs-grund in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dies ist genau zu prüfen.

e) Änderungskündigung
Für eine Änderungskündigung zum Zwecke der Versetzung ist die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung nach § 99 Abs. 1 BetrVG oder ihre gerichtliche Ersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Damit hat der Zweite Se-nat in einer Entscheidung vom 22. April 2010 (- 2 AZR 491/09 -) seine bisherige Recht-sprechung bestätigt (vgl. BAG 30. September 1993 – 2 AZR 283/93 -). An der Tren-nung zwischen dem betriebsverfassungsrechtlichen Schicksal der Versetzung und den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Kündigung ist auch für den Fall festzuhalten, dass die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung gerichtlich nicht ersetzt worden und die entsprechende Entscheidung rechtskräftig ist. Gegenstand eines Zustimmungsersetzungverfahrens ist lediglich die Frage, ob die beabsichtigte perso-nelle Maßnahme aufgrund eines konkreten Zustimmungsersuchens des Arbeitgebers angesichts der vom Betriebsrat vorgebrachten Verweigerungsgründe zulässig ist. Der Arbeitgeber ist daher nicht gehindert, den Betriebsrat ggfs. mehrmals hintereinander um Zustimmung zur Versetzung desselben Arbeitnehmers auf denselben Arbeitsplatz zu ersuchen. Ob die dem Arbeitnehmer angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist, hängt nicht davon ab, ob und wann der Arbeitgeber von der
gewünschten Änderung der Vertragsbedingungen tatsächlich – durch eine dann von diesen gedeckte Ausübung seines Weisungsrechts – Gebrauch machen kann. Durch die rechtskräftige Abweisung eines bestimmten Zustimmungsersetzungsantrags wird die Ausführung der mit der Änderungskündigung beabsichtigten Vertragsänderung grundsätzlich noch nicht dauerhaft unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 BGB.

f) Interessenausgleich mit Namensliste
Sind die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, bei einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat na-mentlich bezeichnet, wird nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Das nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für den Interessenausgleich geltende Schriftformerforder-nis erstreckt sich auch auf die Namensliste. Hierfür reicht es aus, dass die Namensliste in einer gesonderten Anlage zum Interessenausgleich enthalten ist, sofern beide eine einheitliche Urkunde bilden (st. Rspr. vgl. nur BAG 6. Juli 2006 – 2 AZR 520/05 -). Eine solche einheitliche Urkunde kann nach einem Urteil des Zwei-ten Senats vom 12. Mai 2010 (- 2 AZR 551/08 -) zwar auch dann vorliegen, wenn die Namensliste getrennt vom Interessenausgleich erstellt worden ist. Voraussetzung ist aber, dass der von den Betriebsparteien unterschriebene Interessenausgleich auf die zu erstellende Namensliste Bezug nimmt und die von den Betriebsparteien unterzeich-nete Namensliste ihrerseits eindeutig auf den Interessenausgleich (rück-)verweist. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall lagen diese Anforderungen nicht vor. Ob die Schriftform schon deshalb verletzt war, weil die Namensliste bloß mit Paraphen unterzeichnet war, konnte dahinstehen. Jedenfalls enthielt die Namensliste keinen Verweis auf den Interessenausgleich. Der Senat hat den Rechtsstreit zurückverwiesen. Die Vorinstanz wird ua. zu klären haben, ob nicht – wie der Arbeitgeber behauptet hat – beide Unterlagen schon im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Interessenausgleichs fest miteinander verbunden waren. Auch dann wäre die Schriftform für die Namensliste gewahrt (vgl. BAG 6. Juli 2006 – 2 AZR 520/05 -).

g) Betriebsratsanhörung
Der Betriebsrat ist nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor jeder Kündigung anzuhören. Die Anhörung hat in erster Linie den Zweck, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen und auf dessen Kündigungsentschluss Einfluss zu nehmen. Im Hinblick hierauf widerspricht es dem Sinn des Anhörungsverfahrens, dieses zu einem Zeitpunkt einzuleiten, in dem der Arbeitgeber seine Kündigungsabsicht noch gar nicht verwirklichen will oder kann, weil diese noch unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung steht (vgl. BAG 27. November 2003 – 2 AZR 654/02 – sog. „Vorratsanhörung“). Hängt die Frage, ob der Arbeitgeber eine Änderungskündigung oder eine Beendigungskündigung aussprechen wird, allein davon ab, ob der Arbeitnehmer einem Betriebsübergang widerspricht oder nicht, so liegt nach einem Urteil des Zweiten Senats vom 22. April 2010 (- 2 AZR 991/08 -) keine unzulässige „Anhörung auf Vorrat“ vor, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitteilt, er wolle im Fall des Widerspruchs eine Beendigungskündigung und andernfalls eine Änderungskündigung aussprechen. Eine derartige Anhörung wi-derspricht dem Schutzzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG nicht. Die Willensbildung des Arbeitgebers ist abgeschlossen. Der Betriebsrat ist in der Lage, sich in sachgerechter Weise zum Kündigungssachverhalt zu äußern. Die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Arbeitnehmer führt in diesem Fall nicht zu einer wesentlichen Änderung der Umstände, die eine erneute Anhörung des Betriebsrats erforderlich machen würde.

h) Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder
Der Arbeitgeber ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG verpflichtet, im Fall der Stilllegung einer Betriebsabteilung dem dort beschäftigten Betriebsratsmitglied eine möglichst gleichwertige Stellung in einer anderen Betriebsabteilung anzubieten. Ist ein gleichwer-tiger Arbeitsplatz zwar vorhanden, aber mit einem nicht durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmer besetzt, muss der Arbeitgeber grundsätzlich versuchen, den Arbeitsplatz durch Umverteilung der Arbeit, Ausübung seines Direktionsrechts oder ggf. durch Kün-digung für den Mandatsträger freizumachen (vgl. BAG 13. Juni 2002 – 2 AZR 391/01 -). Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz nicht vorhanden, ist der Arbeitge-ber nach dem im KSchG geltenden ultima-ratio-Grundsatz verpflichtet, dem Mandats-träger vor Ausspruch einer Beendigungskündigung die Beschäftigung auf einem gerin-gerwertigen Arbeitsplatz anzubieten und hierzu ggf. eine Änderungskündigung auszu- sprechen (BAG 2. März 2006 – 2 AZR 83/05 -). Hingegen besteht nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG regelmäßig keine Verpflichtung, dem Mandatsträger die Beschäftigung auf einem höherwertigen Arbeitsplatz anzubieten, selbst wenn eine an-dere Beschäftigungsmöglichkeit nicht besteht und das Betriebsratsmitglied das Anfor-derungsprofil der Beförderungsstelle erfüllt. Dies hat der Zweite Senat in einem Urteil vom 23. Februar 2010 (- 2 AZR 656/08 -) entschieden. § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG kommt im Interesse der personellen Kontinuität des Betriebsrats lediglich eine be-standssichernde Funktion für das Arbeitsverhältnis zu. Ein Beförderungsanspruch lässt sich daraus nicht ableiten. Dies würde den vom Gesetzgeber angestrebten Ausgleich zwischen dem Interesse der Belegschaft an der Amtskontinuität einerseits und den berechtigten wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers sowie seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit andererseits beeinträchti-gen. Zudem widerspräche dies § 78 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG, nach dem das Betriebs-ratsmitglied nicht wegen seiner Betriebsratstätigkeit begünstigt werden darf.

2. Befristung

Der Siebte Senat hat in zwei Verfahren, die Klagen von Arbeitnehmerinnen gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses betrafen, den Gerichtshof der Europäischen Uni-on um Vorabentscheidung ersucht. In dem Rechtsstreit – 7 AZR 485/09 – war die Klä-gerin aufgrund von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen seit über zehn Jahren als Justizangestellte in der Bewährungshilfe beschäftigt. Das beklagte Land hat sich zur
Rechtfertigung der Befristung des zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrags auf
§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG berufen. Nach dieser Vorschrift liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird. Die Möglichkeit, auf Grundlage dieser Bestimmung die Befristung von Arbeitsverhältnissen zu rechtfertigen, besteht nur im öffentlichen Dienst. Nach § 5 Nr. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenver-einbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Der Siebte Senat hat für klärungsbedürftig gehalten, ob es unter Berücksichtigung des all-gemeinen Gleichheitssatzes mit § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung vereinbar ist, durch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG für den öffentlichen Dienst einen zusätzlichen Grund zur Befristung von Arbeitsverträgen vorzusehen, der in der Privatwirtschaft nicht zur Verfügung steht. Da diese Frage weder vom Gerichtshof der Europäischen Union ge-klärt, noch ihre Beantwortung offenkundig ist, hat der Senat den Rechtsstreit durch
Beschluss vom 27. Oktober 2010 (- 7 AZR 485/09 (A) -) ausgesetzt und – ua. – diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt.

Dem Verfahren – 7 AZR 443/09 – lag ebenfalls die Klage einer seit mehr als 10 Jahren auf der Grundlage von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen beschäftigten Justiz-angestellten zugrunde, die sich gegen die Wirksamkeit ihrer letzten Vertragsbefristung wandte. Die befristete Beschäftigung diente jeweils der Vertretung von anderen in demselben Amtsgericht beschäftigten Justizangestellten, die sich in Elternzeit oder Sonderurlaub befanden. Auch in diesem Verfahren hat der Siebte Senat durch Be-schluss vom 17. November 2010 (- 7 AZR 443/09 (A) -) den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung gebeten. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn der Arbeit-nehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Die Anzahl der vorhergehenden befristeten Verträge, die mit derselben Person oder zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossen wurden, spielt nach der bisherigen Rechtsprechung des Siebten Senats für die Rechtfertigung der allein zur Überprüfung stehenden Befris-tung des letzten Vertrags keine Rolle (vgl. BAG 25. März 2009 – 7 AZR 34/08 -). Eben-so wenig kommt es für die Wirksamkeit der Befristung darauf an, ob im Betrieb, in der Dienststelle oder im Unternehmen ein ständiger Vertretungsbedarf besteht. Nach An-sicht des Senats ist bislang nicht abschließend geklärt, ob es mit Art. 5 Nr. 1 der Rah-menvereinbarung vereinbar ist, mit einem Arbeitnehmer wiederholt aufeinanderfolgen-de befristete Arbeitsverträge abzuschließen, obwohl bei dem Arbeitgeber ein ständiger Vertretungsbedarf vorhanden ist, der auch durch eine Personalreserve aus unbefristet eingestellten Arbeitnehmern gedeckt werden könnte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union widerspricht es dem mit der Rahmenvereinba-rung verfolgten Ziel, wenn eine nationale Regelung die Grundlage für Vertragsverlän-gerungen bildet, obwohl in Wirklichkeit der damit gedeckte Bedarf kein zeitweiliger, sondern ein „ständiger und dauernder“ ist (vgl. EuGH 23. April 2009 – C-378/07 – [An-gelidaki]). Der Siebte Senat hat den Gerichtshof der Europäischen Union ferner um Klärung gebeten, ob und in welcher Weise bei Befristungen mit Sachgrund die Anzahl und Dauer der bereits in der Vergangenheit mit demselben Arbeitnehmer geschlosse-nen Arbeitsverträge im Rahmen der Missbrauchskontrolle durch die nationalen Gerich-te zu berücksichtigen sind. Außerdem fragt der Senat, ob es für die Befristungskontrol-le unionsrechtlich von Bedeutung ist, wenn der Vertretungsbedarf mit einem vom Ge-setzgeber verfolgten legitimen sozialpolitischen Ziel zusammenhängt. Die in diesem Kontext bedeutsame Möglichkeit zum Abschluss befristeter Verträge auf Grundlage von § 21 BEEG hat zumindest auch das sozialpolitische Ziel, Arbeitgebern die Gewährung und Arbeitnehmern die Inanspruchnahme von Elternzeit und Sonderurlaub zur Kinderbetreuung zu erleichtern.

3. Auflösung durch Urteil

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers aufzulösen und diesen zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zur verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Für die Auflösung ist dabei der Zeitpunkt festzusetzen, an dem das Arbeitsverhältnis geen-det hätte, wenn die Kündigung des Arbeitgebers sozial gerechtfertigt gewesen wäre (§ 9 Abs. 2 KSchG). In einer Entscheidung vom 23. Februar 2010 (- 2 AZR 554/08 -) hat der Zweite Senat seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt, nach der eine gericht-liche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch dann noch möglich ist, wenn das Ar-beitsverhältnis nach dem vom Gericht nach § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Zeit-punkt, aber vor Erlass des Auflösungsurteils geendet hat (BAG 17. September 1987 – 2 AZR 2/87 -). Die Begründetheit des Auflösungsantrags ist in diesem Fall nicht auf Grund der bei Erlass des Urteils vorliegenden Umstände zu beurteilen. Vielmehr ist die erforderliche Prognose anhand der bis zur Beendigung eingetretenen Umstände zu erstellen und auf den Zeitraum zwischen dem Termin, zu dem die Kündigung gewirkt hätte, und dem Beendigungszeitpunkt zu erstrecken. Vorfälle, die sich erst nach dem Beendigungstermin ereignet haben, können dagegen zur Begründung nicht – auch nicht unterstützend – herangezogen werden. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers kommt zudem nur in Betracht, wenn die Kündigung nicht auch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam ist. Liegt ein anderer Unwirksamkeitsgrund iSv. § 13 Abs. 3 KSchG vor, so führt dies nicht zur pro-zessualen Unzulässigkeit des Auflösungsantrags. Es mangelt dem Antrag vielmehr – wie auch beim Fehlen von Auflösungsgründen – an einer materiellen Voraussetzung. Auf eine bestimmte Prüfungsreihenfolge sind die Gerichte für Arbeitssachen dabei nicht festgelegt. Weist das Landesarbeitsgericht den Auflösungsantrag des Arbeitge-bers mit der Begründung ab, es lägen zwar keine anderen Unwirksamkeitsgründe iSv. § 13 Abs. 3 KSchG vor, es fehle aber an einem Auflösungsgrund, ist der Arbeitnehmer dadurch nicht beschwert. Ein hiergegen eingelegtes Rechtsmittel des Arbeitnehmers, das allein auf die Begründung der Antragsabweisung zielt, ist unzulässig.

Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de