Betriebsverfassungsrecht: Betriebsratswahl, Tarifbindung und Mitbestimmung

1. Betriebsratswahl

Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, insbesondere wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgte. Ein Verstoß ist jedoch nicht anfechtbar, wenn ergebnisneutral geblieben ist.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2004 (7 ABR 5/04) entschied der Siebte Senat, dass § 2 Abs. 5 WO eine wesentliche Vorschrift des Wahlverfahrens darstellt. Sie verpflichtet den Wahlvorstand, ausländische Arbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, vor der Wahl über das Verfahren, die Vorschlagslisten und Stimmabgabe in geeigneter Weise zu informieren. Die Regelung gewährleistet die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts und fördert die Integration. Entscheidend ist, ob die Deutschkenntnisse der Arbeitnehmer ausreichen, um Wahlvorschriften und Wahlausschreibungen zu verstehen.

Mit Beschluss vom 16. März 2005 (7 ABR 40/04) bestätigte der Senat die Verfassungsmäßigkeit der Geschlechterquote bei Betriebsratswahlen (§ 15 Abs. 2 BetrVG, § 15 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 WO). Minderheiten des Geschlechts müssen entsprechend ihrem Anteil in der Belegschaft vertreten sein. Auch wenn dies den Erfolg einzelner Stimmen beeinflussen kann, ist dies durch Art. 3 Abs. 2 GG (Gleichberechtigung) gerechtfertigt. Die Regelungen verletzen nicht die Koalitionsfreiheit oder die Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2004 (7 ABR 6/04) wurde klargestellt, dass ABM-Kräfte wahlberechtigt sind, da sie Arbeitnehmer i.S. des § 5 Abs. 1 BetrVG darstellen. Ebenso bleibt ein gekündigter Arbeitnehmer nach § 8 Abs. 1 BetrVG wählbar, solange seine Kündigungsschutzklage noch anhängig ist (10. November 2004, 7 ABR 12/04).

Schließlich entschied der Senat am 20. April 2005 (7 ABR 20/04), dass Arbeitnehmer, die konzernintern überlassen werden, dem Betrieb des Vertragsarbeitgebers zugeordnet bleiben und somit wahlberechtigt sind. Eine Gewinnerzielungsabsicht des entsendenden Unternehmens ist hierfür nicht erforderlich.


2. Sperrwirkung eines Tarifvertrags

Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die tarifvertraglich geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.

Der Erste Senat stellte mit Beschluss vom 22. März 2005 (1 ABR 64/03) klar, dass die Sperrwirkung unabhängig von der Tarifbindung des Arbeitgebers ist. Maßgeblich ist lediglich, dass die Regelung tariflich üblich ist. Die Sperrwirkung erstreckt sich sowohl auf tarifgebundene Unternehmen als auch auf Unternehmen, die potenziell tarifgebunden wären. Sie greift jedoch nicht bei Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 BetrVG, sodass der mitbestimmungsfreie Teil der Betriebsvereinbarung weiterhin möglich ist.


3. Mitbestimmung und Mitwirkung des Betriebsrats

a) Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Für Nachtarbeit ist nach § 6 Abs. 5 ArbZG ein Ausgleich in Form von Freizeitausgleich oder Zuschlag vorgesehen. Bestehen keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, bestimmt der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 7 BetrVG die konkrete Ausgestaltung des Freizeitausgleichs.

Der Erste Senat entschied am 26. April 2005 (1 ABR 1/04), dass tarifliche Regelungen den Ausgleich wirksam abdeckenmüssen. Eine bloße Ausschlussregelung des Nachtarbeitszuschlags (z. B. § 4 Nr. 2.1 MTV) genügt nicht.

b) Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Der Betriebsrat muss nach § 99 BetrVG bei Einstellungen zustimmen, auch bei Übernahme von Leiharbeitnehmern (§ 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG). Ein Verstoß gegen das Gleichstellungsgebot oder einzelne Vertragsbedingungen berechtigt nicht zur Verweigerung der Zustimmung, solange die Einstellung gesetzlich zulässig ist (25. Januar 2005, 1 ABR 61/03).

Eine wesentliche Arbeitszeiterhöhung eines bereits beschäftigten Mitarbeiters stellt eine neue Einstellung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar, sodass die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich ist (25. Januar 2005, 1 ABR 59/03). Vorübergehende oder geringfügige Erhöhungen zählen nicht. Die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist Voraussetzung für den Lauf der Wochenfrist nach § 99 Abs. 3 BetrVG (28. Juni 2005, 1 ABR 26/04).

c) Sozialplan und Kostenübernahme

Sozialplanleistungen dürfen nicht vom Verzicht auf Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden (§ 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Zusätzlich kann der Arbeitgeber freiwillige Leistungen gewähren, solange der Sozialplan nicht umgangen wird (§ 88 BetrVG).

Die Kosten für einen vom Betriebsrat hinzugezogenen Rechtsanwalt sind vom Arbeitgeber zu tragen, selbst im Insolvenzfall, da sie Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO darstellen (17. August 2005, 7 ABR 56/04).

Fazit

Die dargestellten Entscheidungen und Regelungen zeigen eindrücklich, wie komplex und facettenreich das Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht ist. Sowohl bei Betriebsübergängen als auch bei Betriebsratswahlen, der Mitbestimmung und der Sperrwirkung von Tarifverträgen sind zahlreiche gesetzliche Vorgaben, Rechtsprechungen und Mitbestimmungsrechte zu berücksichtigen.

Als Rechtsanwälte stehen wir unseren Mandanten in diesen Bereichen kompetent und praxisnah zur Seite. Wir prüfen Betriebsübergänge, gestalten Arbeitsverträge rechtssicher, vertreten Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Mitbestimmungs- und Betriebsratsfragen und sichern die Einhaltung aller relevanten Vorschriften. So gewährleisten wir, dass die Interessen unserer Mandanten optimiert durchgesetzt werden, Konflikte frühzeitig vermieden und gesetzliche Fristen korrekt eingehalten werden.