Bezugnahmeklauseln

Nach der früheren Rechtsprechung des Vierten Senats war eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten, für den Arbeitgeber einschlägigen Tarifvertrag bei Tarifbindung des Arbeitgebers in aller Regel als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzt werden sollte. Das Arbeitsverhältnis sollte an den dynamischen Entwicklungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags solange teilnehmen, wie der Arbeitgeber selbst tarif gebunden war. Entfiel die tarifrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, neu ab geschlossene Tarifverträge gegenüber den organisierten Arbeitnehmern anzuwenden, entfiel auch eine dahingehende vertragliche Verpflichtung gegenüber nicht organisierten Arbeitnehmern. Darauf, ob es für einen solchen Regelungswillen im Arbeitsvertrag des nicht organisierten Arbeitnehmers Hinweise im Vertragswortlaut oder in Begleitumständen bei Vertragsschluss gab, sollte es nicht ankommen.

Mit seinem Urteil vom 14. Dezember 2005 ( 4 AZR 536/04 ) hat der Vierte Senat an gekündigt, dass er an dieser Rechtsprechung zwar aus Gründen des Vertrauens schutzes für Verträge festhalten werde, die vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossen worden seien, dass er aber für die ab diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträge („Neuverträge“) die genannte Auslegungsregel aufgeben und eine bloße Gleich stellungsabrede nur dann annehmen werde, wenn es hierfür aus Vertragswortlaut und/oder Begleitumständen bei Vertragsschluss hinreichende Anhaltspunkte gebe. Mit Urteil vom 18. April 2007 ( 4 AZR 652/05 ) hat der Vierte Senat seine An kündigung umgesetzt. Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag ist jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung ge macht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht be rührt wird („unbedingte zeitdynamische Verweisung“).

Ist eine unbedingte zeitdynamische Verweisungsklausel vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 arbeitsvertraglich vereinbart worden, ist sie aus Gründen des Ver trauensschutzes wie eine „Gleichstellungsabrede“ entsprechend der früheren Recht sprechung auszulegen. Ist hingegen die fragliche Klausel nach dem 31. Dezember 2001 vereinbart worden, ist die Auslegungsregel i.S. der früheren Rechtsprechung auch dann nicht mehr anzuwenden, wenn eine gleiche oder ähnliche Klausel in einem vor dem Stichtag abgeschlossenen früheren Arbeitsvertrag der Parteien schon einmal enthalten war. Dieser Änderung der Rechtsprechung stehen Gründe des Vertrauens schutzes nicht entgegen. Das Risiko einer Änderung der Rechtsprechung zu allgemein verwendeten Vertragsklauseln trifft zunächst allein den Verwender der Klausel. Eine Einschränkung der Rückwirkung ist jedoch geboten, wenn und soweit die davon nach teilig betroffene Partei auf die Weiterführung der bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte und die Anwendung der geänderten Auffassung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Prozessgegners eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Mit dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform ist ein wertungsrelevanter Para digmenwechsel vorgenommen worden, der für den darauffolgenden Zeitraum zu einer abweichenden Gewichtung der beiderseitigen Interessen und damit zum Wegfall der Annahme einer für den Arbeitgeber unzumutbaren Härte führt. In einem Urteil vom 17. Oktober 2007 ( 4 AZR 778/06 ) hat sich der Vierte Senat mit der Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme sowohl auf einen Tarifver trag als auch auf eine gesetzliche Regelung befasst. Der Entscheidung lag der Arbeitsvertrag eines angestellten Universitätsprofessors zugrunde, in dem sowohl auf die jeweils geltende Fassung des BATO als auch auf das Landeshochschulgesetz verwiesen wurde.

Wie der Widerspruch zwischen beiden Regelungswerken in Bezug auf die Arbeitszeit des angestellten Universitätsprofessors aufzulösen ist, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Dabei ist zugrunde zu legen, dass die Arbeits vertragsparteien eine sinnvolle und mit dem höherrangigen Recht vereinbare Regelung angestrebt haben. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien im Falle einander widersprechender Regelungen den Vorschriften des Landeshochschulgesetzes als den spezielleren Normen den Vorzug einräumen wollten. Die Frage nach der Spezialität kann nicht anhand der Rechtsnatur des Regelwerks beantwortet werden. Es gibt keinen Grundsatz, dass ein Tarifvertrag gegenüber dem Gesetz stets spezieller ist. Das speziellere Regelwerk ist vielmehr unter Berücksichtigung der Regelungsinhalte zu ermitteln. Es ist das Landeshoch schulgesetz, das gerade für die Dienstverhältnisse mit dem hauptberuflichen wissen schaftlichen und künstlerischen Hochschulpersonal gilt. Nach einer Entscheidung des Fünften Senats vom 14. März 2007 ( 5 AZR 630/06 ) sind auf Bezugnahmeklauseln in Formulararbeitsverträgen die §§ 305 ff. BGB anzu wenden. Die in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung über Haupt leistungspflichten ist gem. § 307 Abs. 3 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB jedoch nur auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot zu überprüfen. Eine uneingeschränkte Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB findet statt, wenn durch Bestimmungen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Einer eingeschränkten Kontrolle unterliegen hingegen Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen. Im Arbeitsverhältnis sind das vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt. Mit einer Verweisung auf die für Beamte geltende Arbeitszeit bestimmen die Parteien die Hauptleistungspflicht. Dies gilt auch im Fall einer dynami schen Verweisung. Ein in diesem Fall allein zu prüfender Verstoß gegen das Trans parenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt bei einer Klausel, die zur Bestimmung des Umfangs der Arbeitszeit des Arbeitnehmers auf die durch Rechtsverordnung ge regelte Arbeitszeit vergleichbarer Beamter verweist, nicht vor. Eine solche Verweisung ist nicht unklar.

Bezugnahmen entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und sind im Arbeitsrecht gebräuchlich. Auch dynamische Bezugnahmen entsprechen einer üb lichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien. Mit Urteil vom 28. Juni 2007 ( 6 AZR 750/06 ) hat der Sechste Senat entschieden, dass ein Tarifvertrag, der für den Arbeitgeber kraft Tarifbindung gilt und auf den in einem vorformulierten Arbeitsvertrag vollständig Bezug genommen wird, auch dann keiner Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterliegt, wenn der Arbeitnehmer nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ist. Eine Transparenz kontrolle hätte zur Folge, dass einzelne Vorschriften desselben Tarifvertrags bei dem selben Arbeitgeber, je nachdem ob der Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ist oder nicht, das eine Mal zur Anwendung kommen wegen fehlender Transparenz das andere Mal nicht. Das ist mit dem Zweck des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, nach dem die §§ 305 ff. BGB keine Anwendung auf Tarifverträge finden, nicht vereinbar. Der Gesetzgeber unterstellt, dass Tarifbestimmungen angesichts der gegenläufigen Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen insgesamt an gemessenen Ausgleich herstellen.